Paradoxiemanagement: Warum Widersprüche wertvoller sind, als wir denken
Organisationen und deren Mitarbeitenden stehen heute mehr denn je unter Druck, mit Komplexität, Dynamik und Unsicherheit umzugehen. Gleichzeitig begegnen sie dabei einem Phänomen, das oft als störend empfunden wird – Widersprüche.
Doch was, wenn gerade diese Spannungsfelder keine Hindernisse, sondern Ressourcen sind? Was, wenn der produktive Umgang mit Paradoxien der Schlüssel zu nachhaltiger Entwicklung ist?
Was sind Paradoxien?
Paradoxien sind Gegensätze, die sich nicht einfach auflösen lassen. Es sind Spannungsfelder, in denen beide Seiten ihre Berechtigung haben – und in denen gerade das Nebeneinander dieser Pole den Unterschied macht.
Beispiele gefällig?
- Sicherheit vs. Innovation
Wir wollen, dass unsere Prozesse sauber, zuverlässig und risikofrei laufen – gleichzeitig erwarten wir von unseren Teams neue Ideen, kreative Lösungen und Innovationsfreude.
- Individualisierung vs. Standardisierung
Mitarbeitende wünschen sich individuelle Entwicklung – Unternehmen brauchen gleichzeitig klare Strukturen, Standards und Rollen, die einheitlich funktionieren.
- Führungskraft sein vs. Führung abgeben
Führungskräfte sollen Orientierung geben, Entscheidungen treffen und Verantwortung tragen – gleichzeitig sollen sie Selbstorganisation und Eigenverantwortung der Mitarbeitenden fördern.
- Vertrauen vs. Kontrolle
Mitarbeitenden Vertrauen schenken – und gleichzeitig sicherstellen, dass Ziele, Regeln und Qualitätsstandards eingehalten werden.
Diese Widersprüche lassen sich nicht mit einem einfachen «Entweder-oder» beantworten. Wer versucht, sie wegzuerklären oder zugunsten einer Seite zu entscheiden, läuft Gefahr, wichtige Dynamiken zu unterdrücken.
Warum es problematisch ist, Paradoxien «lösen» zu wollen
Klarheit ist wichtig – besonders in der Führung. Doch bei paradoxen Themen führt der Wunsch nach einfachen Antworten und der Fokus auf den einen «richtigen» Weg oft in eine Sackgasse – und zu neuen Spannungen. Entscheidend ist nicht die eine Lösung, sondern die Fähigkeit, Gegensätze im Blick zu behalten und konstruktiv mit ihnen zu arbeiten.
Beispiel: Ein Unternehmen will agiler werden. Es schafft Hierarchien ab, fördert Selbstorganisation – und stellt nach kurzer Zeit fest, dass Verantwortung diffus wird, Orientierung fehlt, Entscheidungen ausbleiben. Die Reaktion? Rückkehr zu klassischen Steuerungsmodellen. Das Ergebnis: Frustration auf allen Seiten.
Paradoxien lassen sich nicht dauerhaft «lösen». Aber sie lassen sich gestalten.
Paradoxiemanagement: Ein navigierender Umgang mit Widersprüchen
Paradoxiemanagement bedeutet, Spannungsfelder bewusst zu erkennen und aktiv zu nutzen – anstatt sie zu ignorieren oder auf eine Seite zu reduzieren.
Das gelingt, wenn:
- Paradoxien benannt und sichtbar gemacht werden
- durch offene Kommunikation, Reflexion und Führung, die Ambivalenzen zulässt.
- Spannungen als normal und wertvoll verstanden werden
- anstatt sie vorschnell als Problem oder Schwäche zu sehen.
- Beide Pole aktiv berücksichtigt werden
- z. B. durch flexible Strukturen, die Stabilität und Agilität kombinieren.
- Führung zur Navigation wird
- weg von der Kontrolle, hin zum Ausbalancieren unterschiedlicher Interessen, Perspektiven und Ziele.
Konkrete Ansätze für die Praxis
- Paradoxiezirkel: Reflexionsformate, in denen Führungskräfte oder Teams gezielt mit ihren Spannungsfeldern arbeiten (z. B. anhand von Leitfragen wie: Welcher Pol wird aktuell überbetont? Was braucht es, um das Gleichgewicht wiederherzustellen?).
- Szenarienarbeit: Anstatt den «einen richtigen Weg» zu finden, werden verschiedene Entwicklungspfade skizziert, die unterschiedliche Pole abbilden.
- Paradoxe Führungsprinzipien: Führung als Haltung, die beides zulässt – Klarheit UND Unsicherheit, Nähe UND Distanz, Zielorientierung UND Prozessoffenheit.
Paradoxien als Chance: Was Potenzial-e dazu beiträgt
Bei Potenzial-e begleiten wir Organisationen, Teams und Einzelpersonen in Entwicklungsprozessen – und wir begegnen dabei regelmässig diesen Spannungsfeldern. Wir wissen: Gerade dort, wo es scheinbar nicht «weitergeht», steckt das grösste Potenzial.
Unsere Arbeit darin zielt darauf ab, Menschen zu befähigen, mit Komplexität und Widersprüchen souverän umzugehen.
Das geschieht durch:
- Workshops und Trainings, in denen Paradoxiemanagement konkret erlebbar wird
- Reflexionsprozesse mit Einzelpersonen und Teams
- Thematische Begleitung mit betrieblichem Mentoring
Denn: Wer den Umgang mit Paradoxien bewusst in die Unternehmenskultur einbringt, schafft die Grundlage für eine resiliente, lernende und menschlich starke Organisation.
Fazit:
Paradoxien sind nicht das Problem. Der Versuch, sie zu vermeiden bzw. zu lösen – das ist das eigentliche Hindernis.
Wer lernt, in Widersprüchen zu denken und zu handeln, wird nicht nur flexibler – sondern auch klarer, weitsichtiger und nachhaltiger erfolgreich.
Sie möchten mehr darüber erfahren, wie das in Ihrem Kontext konkret aussehen könnte? Ich freue mich auf den Austausch.
Ein vertiefender Lesetipp zum Thema:
Der lesenswerte Beitrag „Paradoxiemanagement in Organisationen – Wertvoller Widersinn“ in der aktuellen Ausgabe des Magazins "managerSeminare" (Heft 328, Juli 2025) beleuchtet dieses Thema praxisnah und gut verständlich.





